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Über Hoffnung per Post, digitale Museen – und Hilfe für Helfende

Christine Worch, Leitung des Stiftungsprojekts KULTURISTENHOCH2, möchte auch in Zeiten von Corona Seniorinnen und Senioren kulturelle und soziale Teilhabe ermöglichen. Dabei erhält sie große Unterstützung von ihrem Team und Ehrenamtlichen – die manchmal jedoch selbst an ihre Grenzen stoßen.

Deutsche Fernsehlotterie: Wie ist euer Projekt von der Corona-Pandemie betroffen und welche Herausforderungen bringt dies für euch mit?

Christine Worch: Unser Projekt KULTURISTENHOCH2 regt den Austausch und das Kennenlernen zwischen den Generationen an. Indem wir Hamburger Seniorinnen und Senioren mit Schülerinnen und Schülern aus Schulen ihres Stadtteils verbinden, wollen wir die Achtsamkeit füreinander und den Zusammenhalt im gemeinsamen Stadtteil stärken. Dabei nutzen wir die Kraft von Kunst und Kultur als Mittler zwischen den Generationen – und ermöglichen in Kooperation mit KulturLeben Hamburg e.V. einkommensschwachen älteren Menschen neben der gesellschaftlichen auch die kulturelle Teilhabe. Wir bilden Tandems aus Alt und Jung, die dann gemeinsam Konzerte, Lesungen oder Theateraufführungen besuchen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht mehr möglich, wir haben alle bisherigen Aktivitäten niedergelegt. Unsere Herausforderung ist es, Wege zu finden, wie wir unseren Seniorinnen und Senioren auch in den nächsten Wochen und Monaten, einer für alle schwierigen Zeit, Teilhabe und Zusammenhalt mit den Schülerinnen und Schülern ermöglichen können. Wir müssen uns neue Ideen und Möglichkeiten gegen Isolation und Einsamkeit überlegen. Die Beschränkungen des öffentlichen Lebens und die eingeführten Vorsichtsmaßnahmen verunsichern nicht nur viele Seniorinnen und Senioren sehr, auch die Jugendlichen fühlen sich allein.

zwei Frauen sitzen in einem Café

Foto: Christine Worch mit einer der KULTURISTENHOCH2-Seniorinnen in einem Café – vor der Coronakrise.

Deutsche Fernsehlotterie: (Wie) könnt ihr auf die aktuelle Situation reagieren?

Christine Worch: Wir sind überzeugt: Zuwendung kann viele Gesichter haben. Und sie ist in diesen Tagen wichtiger denn je. Deshalb haben wir verschiedene Aktionen ins Leben gerufen, um Zeichen gegen Einsamkeit und Isolation zu setzen. Uns lag besonders am Herzen, die Seniorinnen und Senioren nach ihren Bedürfnissen nach menschlicher Unterstützung zu fragen, um sie gegebenenfalls gemeinsam auffangen zu können. Unser Team sprach mit jeder und jedem der 175 Teilnehmenden und vermittelte, wenn gewünscht, auch telefonischen Kontakt zwischen Alt und Jung. Ein kleiner Austausch kann schon für beide sehr wertvoll sein und auch die Stimmung heben. Außerdem haben wir im Verbund mit den Schülerinnen und Schülern unserer Kooperationsschulen eine Postkarten-Aktion gestartet. Wir haben Postkarten mit einem farbenfrohen Motiv entwickelt und drucken lassen, die wir an alle Schülerinnen und Schüler verschickt haben – mit der Bitte, einen Gruß für die ältere, „zugeordnete“ Person in ihrem Stadtteil zu verfassen. Das Porto haben wir ihnen beigelegt. Über 40 der Ehrenamtlichen haben sich bereits jetzt bei uns zurückgemeldet, mit kleinen Fotos und Videos, wie sie die Postkarten schreiben oder verschicken.

Deutsche Fernsehlotterie: Schafft ihr es, weiterhin auch kulturelle Teilhabe zu ermöglichen?

Christine Worch: Alle kulturellen Einrichtungen sind zwar geschlossen, doch es gibt viele wunderbare Angebote online. Wir haben diese gesammelt und posten auf Facebook und Instagram täglich Tipps und Anregungen – zum Beispiel Empfehlungen für virtuelle Museums-, Opern- oder Konzertbesuche. Rund 30 Prozent der KULTURISTENHOCH2-Seniorinnen und -Senioren sind digital aktiv und erreichbar.

Deutsche Fernsehlotterie: Könnt ihr die Seniorinnen und Senioren auch im Alltag unterstützen?

Christine Worch: Wir bekommen zahlreiche unterstützende Angebote von unseren jungen Menschen, darüber sind wir sehr glücklich. Allerdings können Botendienste oder Einkaufshilfen aus Sicherheits- und Schutzauflagen nicht immer von unseren Schülerinnen und Schülern im Stadtteil übernommen werden. Aufgrund der Bestimmungen und der aktuell geltenden Sicherheitsvorkehrungen ist eine Vermittlung der Jugendlichen im Namen von KULTURISTENHOCH2 nicht so einfach umsetzbar, sie muss auf freiwilliger Basis erfolgen. Ein schönes Beispiel ist das einer ehemals teilnehmenden Schülerin, die sich mit folgendem Schreiben an uns gewandt hat:

„Hallo liebes Kulturisten – Team,
mein Name ist Maria Meier*, ich besuche die Heinrich-Hertz-Schule und bin in der 13 Klasse. Ihre Organisation habe ich schon vor zwei Jahren, durch Patenschaft unterstützt und wollte einmal anfragen, ob ich in dieser schwierigen Situation Unterstützung anbieten kann. Ich besitze einen Führerschein und könnte somit Einkäufe, Medikamente für ältere Leute gerne erledigen. Wenn Sie Interesse daran haben, melden sie sich gerne bei mir. Viele liebe Grüße Maria“
(*Name geändert)                                                                    

Wir als Stiftungsprojekt haben uns außerdem unter anderem dem Facebook-Netzwerk #CoronahilfeHamburg angeschlossen. Diese und weitere Plattformen sind gute Wege, um die Koordination für ältere Menschen zu übernehmen und Nachbarschaftshilfe zu organisieren. Zehn „Hilfe-Tandems“ konnten so bereits innerhalb kürzester Zeit zusammengebracht werden.

Eine Seniorin am Rollator geht mit einer Schülerin durch einen HAusflur.

Foto: Ein KULTURISTENHOCH2-Tandem: Schülerin Julia und Ingrid Rieper trafen sich bereits 2018 zu gemeinsamen Besuch von Kulturveranstaltungen.

Deutsche Fernsehlotterie: Wie kann man euch derzeit am besten unterstützen?

Christine Worch: Wie bei vielen gemeinnützigen Organisationen und Projekten bricht auch bei uns das Spendeneinkommen weg. Alles, was wir derzeit machen – etwa Postkarten drucken, Porto dazulegen –, finanzieren wir aus Reserven freier Spenden. Hier kommt derzeit leider nichts nach, das fehlt uns natürlich. Wir würden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit viel und lang mit sorgevollen Seniorinnen und Senioren telefonieren, gern ein Telefoncoaching ermöglichen. Denn die Not der älteren Menschen kommt jetzt auch hier bei uns an: Unsere Telefonistinnen und Telefonisten hören sich – neben einigen sehr positiven Stimmen, die diese Situation als Chance sehen – auch immer wieder Angstgeschichten an. Wir möchten gern helfen, gleichzeitig sollen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber keinen Schaden durch ihren Einsatz nehmen.

Wir unterstützen das Team von KULTURISTENHOCH2 in dem Anliegen, Menschen vor der Isolation zu bewahren, den Austausch der Generationen und ein solidarisches Miteinander im Stadtteil zu fördern und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, mit über 155.000 Euro.

Zu zweit gegen die Einsamkeit

Vor einiger Zeit haben wir Frau Rieper und ihre Tandem-Schülerin Julia bei einem kulturellen Ausflug begleitet. Lies hier ihre Geschichte!

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