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„Ich wusste nicht, dass es das gibt: Kuscheln mit dem Kind“

SOLWODI setzt sich für die Rechte von ausländischen Frauen in Deutschland ein, die Not und Gewalt erfahren haben. Die Fachberatungsstelle in Bad Kissingen hilft betroffenen Müttern dabei, ihr Trauma nicht an ihre Kinder weiterzugeben.

„Ich habe es für meine Tochter gemacht“, sagt Romina und lächelt schüchtern. Es gemacht – damit meint sie die Flucht aus ihrer Heimat. Ihr ganzes Leben hat sie damals zurückgelassen, um genau das zu retten: ihr Leben. Und das ihrer Tochter.

„Mein Mann war sehr gewalttätig“, erzählt die junge Frau aus Tschetschenien, deren Name eigentlich anders lautet. Sie hat nicht aus Liebe geheiratet: „Ich wurde zwangsverheiratet.“ Ihr Mann schlug nicht nur sie, sondern auch ihre kleine Tochter. „Das zu sehen, hat mir am meisten weh getan“, erinnert sich Romina. An die tschetschenische Polizei, sagt sie, habe sie sich damals nicht wenden können. Auch die Familie väterlicherseits half ihr nicht: „Sie haben zu mir gesagt: ‘Wenn dein Mann dir einen Arm abreißt, hast du doch noch einen anderen. Du lebst doch noch, was jammerst du?’

Doch dann ging es ihrer Tochter gesundheitlich immer schlechter. Mehrere Wochen lag sie im Krankenhaus. „Als sie raus kam, wollte mein Mann sie mir wegnehmen. In unserem Land bleiben Kinder beim Vater nach einer Scheidung. Also habe ich mich entschlossen, zu kämpfen – für meine kleine Tochter.“

Ihre Flucht führte sie zunächst zu ihrer Familie mütterlicherseits, wo ihr Mann sie fand, dann weiter über Sibirien, Polen bis nach Deutschland. Es war eine schwere Zeit und nicht alle Menschen, denen sie begegnete, waren ihr wohlgesonnen. Dann kam sie endlich an – im Projekt SOLWODI („Solidarity with Women in Distress“) in Bad Kissingen.

Die Frauen, die zu uns kommen, haben selbst nur gelernt, dass sie still sein müssen, ihre Gefühle unterdrücken müssen.
Renate Hofmann, Projektleitung Solwodi

Erziehung ohne Gewalt

SOLWODI ist eine Organisation für von Gewalt betroffenen ausländische Frauen, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution oder Zwangsheirat geworden sind. „Die Frauen kommen oft aus prekären Verhältnissen, haben selbst wenig Liebe und Zuneigung erfahren und mussten oft für sich selbst kämpfen, teilweise auch ums Überleben“, erklärt Veronika Richler-Yazeji, die als Sozialarbeiterin in der von uns mit 72.000 Euro geförderten Fachberatungsstelle in Bad Kissingen arbeitet. „Sie haben also so gut wie alle Gewalt erfahren. Es ist wichtig, dass sie diese nicht an ihre Kinder weitergeben.“

Auch Romina musste das Mamasein neu lernen. „Ehrlich gesagt hatte ich keine Vorstellung davon, was das eigentlich bedeutet“, gesteht sie. Kindheit in Tschetschenien sei etwas anderes als Kindheit in Deutschland: „Die Kindheit genießen, das gibt es bei uns nicht. Mädchen müssen im Haushalt mithelfen, Jungs müssen lernen, stark zu sein.“ Sie hält kurz inne. Dann platzt es aus ihr heraus: „Erziehung ist brutal. Es wird nicht nur geschimpft, es wird geschlagen. Mädchen haben es noch schwerer, denn sie sind weniger wert.“

Gefühle zu zeigen, ist wichtig

„Die Frauen lieben ihre Kinder“, betont Projektleiterin Renate Hofmann. „Aber dadurch, dass sie massive Gewalt erlebt haben und häufig selbst eine schwere Kindheit hinter sich haben, wissen sie nicht, wie sie mit Kindern gut umgehen können, wie sie sie ohne Schläge erziehen können. Wir unterstützen sie darin, zu lernen, dass es anders geht und wie sie eine liebevolle Beziehung zu ihrem Kind aufbauen können.

Kinder dürfen enttäuscht sein, frustriert sein, sie dürfen schimpfen und manchmal sind sie auch wütend – und diese Gefühle dürfen sie haben und zeigen. „Die Frauen, die zu uns kommen, kennen nicht, dass sowas sein darf. Sie haben selbst nur gelernt, dass sie still sein müssen, ihre Gefühle unterdrücken müssen“, erklärt Hofmann. Bei SOLWODI lernen sie, dass Gefühle wichtig und gut sind und auch zum Ausdruck gebracht werden dürfen.

Auch Romina hatte anfangs Schwierigkeiten: „Mich hat die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen – also wann stehe ich auf, wann gehe ich schlafen, wann esse und dusche ich – überfordert.“ Inzwischen kann sie diese neugewonnene Freiheit genießen. Und lernt noch immer täglich dazu. „Ich wusste nicht, dass es sowas überhaupt gibt: Kuscheln mit dem Kind. Das habe ich hier in Deutschland gelernt. Meine Tochter liebt es. Und ich finde es auch sehr schön.“ Freiheit und Sicherheit – das bedeutet SOWLODI für Romina, ihre Tochter und viele weitere Frauen, die Schlimmes erlebt haben.

„Wir erfahren bei unserer Arbeit von sehr viel Gewalt“, sagt Hofmann. „Ich bin manchmal erstaunt, was die Frauen alles überlebt haben. Es freut mich sehr, wenn die Mütter, die durch all das Erlebte in ihrer Beziehungsfähigkeit eingeschränkt sind, es schaffen, neues Vertrauen zu wagen und mit ihren Kindern gemeinsam in die Zukunft zu gehen.“

Soziallotterie

Als Soziallotterie fördern wir über die uns angeschlossene Stiftung Deutsches Hilfswerk vielfältige soziale Projekte in ganz Deutschland. Allein in 2020 konnten wir mit der Hilfe unserer Mitspielerinnen und Mitspieler 315 Projekte mit insgesamt 42,4 Millionen Euro unterstützen – darunter auch das oben genannte Projekt SOLWODI (Fördersumme: 72.240 Euro).

Übrigens: Hier im Online-Magazin stellen wir dir viele weitere soziale Themen und Projekte vor, für die wir uns einsetzen und/oder die wir fördern. Schau dich gern einmal um!

Du möchtest mithelfen und schnell und einfach etwas Gutes tun? Dann besuche unseren Shop – hier ist für jede und jeden das passende Los dabei. Gleichzeitig hast du die Chance, für dich etwas zu gewinnen: In 2020 freuten sich insgesamt 814.797 Menschen über einen Gewinn bei uns, über 56 Millionen Euro wurden insgesamt an Gewinn ausgeschüttet.

Zukunftschancen

Autorin

Katharina Hofmann

Fotograf

istock.com/vadimguzhva (Symbolbild)

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