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Schwangerschaft in der Corona-Krise: Wie Babylotsinnen werdenden Eltern jetzt helfen

Die Corona-Pandemie stellt auch werdende Eltern derzeit vor besondere Herausforderungen: Neben der üblichen Aufregung und den vielen Fragen, die vor der Geburt eines Kindes entstehen, kommen nun Ängste und Sorgen bezüglich des Virus hinzu. Die Babylotsinnen am St. Josef-Hospital in Wiesbaden stehen den Familien auch in der Krise zur Seite.

Männerhände liegen auf dem Bauch einer Schwangeren und ihre Hände auf seinen.

Ziel das Babylotsen-Projekts vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Wiesbaden am St. Josef-Hospital ist es, die psychosozialen Bedarfe der entbindenden Frauen bzw. Familien zu erkennen und bei Bedarf ein Gesprächsangebot zu machen. Eltern können ihre Sorgen und Ängste direkt auf Station mit einer Babylotsin besprechen. Diese gibt hilfreiche Tipps zum Leben mit dem Neugeborenen und vernetzt die Eltern bei Bedarf in vorhandene Hilfsangebote. Die Beratung ist freiwillig und kostenlos und hilft, die Gesamtsituation der Familie nachhaltig zu stabilisieren.

Mit einer Förderung von über 170.000 Euro konnten wir dazu Beitragen, das Babylotsen-Projekt am St. Josef-Hospital zu realisieren.

Deutsche Fernsehlotterie: Wie ist euer Projekt von der Corona-Pandemie betroffen? 

Dr. Marina Schmitt: Normalerweise sind die Babylotsen wochentags vor Ort und besuchen die Wöchnerinnen auf Station. Als externe Mitarbeiterinnen haben wir unseren Besuchsdienst in den letzten Wochen wegen der Eingangskontrollen und dem damit einhergehenden strikten Besuchsverbot im St. Josef-Hospital zur Vermeidung der Verbreitung von Covid-19 einstellen müssen. Stattdessen haben wir eine Beratung per Telefon oder E-Mail eingeführt.

Zwei Frauen stehen nebeneinander

Foto: Die Wiesbadener Babylotsinnen (Quelle: SkF Wiesbaden)

Deutsche Fernsehlotterie: Vor welchen Herausforderungen steht ihr aktuell?

Dr. Marina Schmitt: Derzeit stellen wir uns die Frage: Wie kann ein guter „neuer“ Start vor Ort unter den aktuell bestehenden Unsicherheiten durch die Corona-Situation gestaltet werden? Dabei stecken wir, wie viele, in einem Dilemma: Wir müssen und wollen die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Corona beachten, gleichzeitig möchten wir möglichst schnell zum „normalen“ Arbeitsalltag zurückkehren und unseren Besuchsdienst wiederaufnehmen. Der aufsuchende, niedrigschwellige Charakter der Babylotsen-Arbeit wird durch das Kontaktverbot beschränkt, die Familien sind nun mehr in der Verantwortung selbst Kontakt zu den Babylotsinnen aufzunehmen. Dies führt zu Hemmschwellen bei den Eltern, die wir unter normalen Umständen durch Face-to-face-Kontakte vermeiden beziehungsweise schnell überwinden können. Zudem entscheiden sich Frauen aus verschiedenen Gründen vermehrt für ambulante Geburten, sodass die Eltern nicht durch einen Besuchsdienst erreicht werden können.

Deutsche Fernsehlotterie: (Wie) könnt ihr auf die aktuelle Situation reagieren?

Dr. Marina Schmitt: Wir sind derzeit auf eine Babylotsen-Hotline und E-Mail-Beratung umgestiegen. Zusätzlich stehen wir mit der Entbindungsstation in telefonischem Kontakt, um zu erfahren, wie die Situation aus Sicht des Personals ist – also ob beispielsweise mehr ambulant entbunden wird und ob aufgrund von Hausgeburten weniger Geburten im Krankenhaus stattfinden. Die Mitarbeiterinnen vor Ort weisen zudem auf unser Angebot hin. Insbesondere aus Datenschutzgründen dürfen wir nicht aktiv auf die Familien zugehen, sondern sind darauf angewiesen, dass sich die Eltern bei uns melden. Dementsprechend sind uns teilweise die „Hände gebunden“.

Deutsche Fernsehlotterie: Welches sind die größten Sorgen und Fragen, mit denen (werdende) Eltern derzeit auf euch zukommen?

Dr. Marina Schmitt: Ein wichtiger Punkt ist die Hebammenversorgung. Außerdem kommen Eltern häufig mit Themen wie Probleme beim Stillen auf uns zu. Aktuell kommen fehlende soziale Kontakte, beziehungsweise fehlende Unterstützung durch das soziale Umfeld hinzu – so können zum Beispiel Großeltern nicht. Bei der Kinderbetreuung ist derzeit kaum Unterstützung möglich, da Kitas und Krippen für Geschwisterkinder geschlossen sind und zum Beispiel ehrenamtliche Familienpatinnen nicht in die Familien gehen können. Auch finanzielle Engpässe durch Kurzarbeit oder Kündigungen machen den (werdenden) Eltern derzeit vermehrt sorgen. Einige haben außerdem Angst vor dem Virus und dass sich ihr Neugeborenes damit infizieren könnte. Zudem sorgt viele die Unsicherheit, ob der Partner bei der Geburt dabei sein kann.

Eine große Hand hält eine Babyhand

Deutsche Fernsehlotterie: Könnt ihr diese aktuellen Sorgen bei (werdenden) Eltern relativieren?

Dr. Marina Schmitt: Die fehlenden Kontakte und die Unterstützung im Haushalt der Familien können wir nur durch ein „offenes Ohr“ und Verständnis für die schwierige Situation der Familien relativieren. Wir können auf digitale Angebote und Beschäftigungsideen für die Geschwisterkinder verweisen. Die Ängste der Familien sind nachvollziehbar. Wir versuchen, für sie da zu sein und ihre Sorgen ernst zu nehmen, beziehungsweise durch unsere Beratung zu verringern. In der Regel können wir die Sorgen relativieren, indem wir die Familien an fachkundige Stellen weitervermitteln, wie beispielsweise an die Hebammensprechstunde. Um finanzielle Sorgen einzudämmen, informieren wir über Unterstützungsmöglichkeiten wie den Notfall-Kinderzuschlag und können Eltern an den Anziehtreff des SkF Wiesbaden verweisen, wo sie Kleiderspenden erhalten. Insgesamt möchten wir Zuversicht vermitteln, dass die Eltern diese schwierige Situation meistern werden.

Deutsche Fernsehlotterie: Wie werden die kommenden Wochen bei euch aussehen? Zeichnet sich bereits ein Weg in die “neue Normalität” ab?

Dr. Marina Schmitt: Entsprechend der Lockerung von Maßnahmen seitens der Politik, können wir daran angepasst einen Weg finden, wieder vor Ort zu sein und die Frauen wie gehabt auf Station zu besuchen. Seit dem 4. Mai sind wir unter Berücksichtigung der neuen Hygieneregeln dreimal wöchentlich im St. Josef-Hospital und bieten weiterhin zusätzlich Telefon- und E-Mail-Beratung an. Wir hoffen, dass sich das Coronavirus nicht weiter ausbreitet und wir weitgehend zu unserem beruflichen Alltag zurückkehren können. Gleichzeitig hoffen wir, dass sich unsere Telefon- und E-Mail-Beratung gut etablieren wird, sodass wir im Falle einer zweiten Corona-Welle auf diese Medien wieder stärker zurückgreifen können.

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