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Mehr als Almosen

An einem Sonntag vor zwei Jahren fing alles an. Tina Benz fuhr mit Freunden in die Stadt, um Decken an Obdachlose zu verschenken. Dann fragte jemand, ob sie nächste Woche wieder kommen würden.

Sonntagmittag im Herbst, die Sonne scheint, aber es ist kalt und der Winter nicht mehr fern. Die Menschen, die sich um kurz vor eins auf dem Europaplatz hinter dem Darmstädter Hauptbahnhof versammelt haben, sind noch nicht für ihn gerüstet: Männer und Frauen in zu dünnen Klamotten, ohne Jacken, Mützen oder warme Schuhe. Eine halbe Stunde später sind sie alle ausgestattet für den Winter – dank Tina Benz und ihren vielen, freiwilligen Helfern.

Tina erinnert sich noch daran, wie alles anfing. Sie arbeitete als Aushilfe bei einem Bäcker am Darmstädter Hauptbahnhof. Täglich sah sie bei ihrer Arbeit Obdachlose, die am Bahnhof vorbei kamen. Jeden Tag sah sie, wie die Obdachlosen froren, nach Essen fragten oder einfach nach jemandem suchten, der mit ihnen ein bisschen plaudert. Eines Tages beschloss Tina nicht mehr nur zu zuschauen. Sie wollte helfen.

Tina Benz im Gespräch mit einer obdachlosen Frau.

Am ersten Sonntag waren fünf Bedürftige da, heute sind es über 100

An einem Sonntag vor zwei Jahren wollte sie eigentlich nur mit ein paar Freunden in die Stadt fahren und Obdachlosen Decken und warme Klamotten schenken. „Bis da sind wir aber gar nicht gekommen, schon am Hauptbahnhof hatten wir alles verteilt.“ Dann fragte jemand, ob sie am nächsten Sonntag wieder kommen würden.

Sie kamen wieder – und sind bis heute geblieben. Der Sonntag ist zu einem wichtigen Tag für die Menschen hier geworden, Tina kennt mittlerweile viele von ihnen gut.

Wir verteilen hier nicht nur Essen und Klamotten, es ist wie ein Marktplatz – jeder kennt jeden.
Tina Benz, Initiatorin der Obdachlosenhilfe Darmstadt

Es hat sich herumgesprochen. Sie versorgt Obdachlose und Bedürftige in Darmstadt und Umgebung mit Kleidung, Decken, Hygieneartikeln, Hundefutter oder einfach nur mit einer warmen Mahlzeit und einem offenen Ohr.

Porträt eines obdachlosen Mannes.
Ein obdachloser Mann lacht im Gespräch mit einem anderen.
Porträt eines lachenden obdachlosen Mannes.

Nicht nur ihren Sonntag investiert Tina in die Obdachlosenhilfe, auch unter der Woche gibt es immer etwas zu organisieren. Sie vernetzt sich mit den vielen Helfern über die Facebook-Gruppe „Obdachlosen und Bedürftigen helfen in Darmstadt“. In der Gruppe sprechen sie viel über einzelne Menschen: wie es ihnen geht, wer sie in der Stadt gesehen hat, wer verschwunden ist und wie sie noch besser helfen können. „Es ist traurig zu hören, wenn mal wieder jemand im Krankenhaus oder im Gefängnis ist”, sagt Tina. Auch Sucht ist oft ein Thema. „Einige Todesfälle gab es auch schon“, berichtet sie.

Info

  • Tina Benz und ihr Team haben einfach eine Facebook-Gruppe gegründet und angefangen Obdachlosen zu helfen. Leider können wir von der Deutschen Fernsehlotterie dieses Projekt aktuell nicht unterstützen, da es nicht unseren Förderkriterien entspricht. Wir freuen uns umso mehr über das ehrenamtliche Engagement und sagen: weiter so!
  • Du erreichst die Organisatoren des Projekts über die Facebookgruppe „Obdachlosen helfen – Darmstadt“
  • Informationen zu einer Förderung durch die Deutsche Fernsehlotterie findest Du in unserer Checkliste.

Himmelblaues Jäckchen und Pferdeschwanz, am Kleiderstand sucht eine junge Frau in den gespendeten Schuhen nach ihrer Größe. Da sind sie: schwarze Lederhalbschuhe, Größe 39. Sie passen perfekt. Cindy Müller* lebt zwar nicht auf der Straße, aber Geld für Klamotten hat sie nicht. Oft reicht es kaum fürs Essen. Eine halbe Stunde muss Müller noch warten, bis sie die Halbschuhe mitnehmen kann, denn die Kleider werden erst nach dem gemeinsamen Essen verteilt.

Gespendete Schuhpaare stehen auf dem Boden, ein Karton ist bis über den Rand voll mit Kleidung.
Zwei obdachlose Männer suchen sich Kleidungsstücke aus.
Ein Mann lächelt erschöpft aber glücklich in die Kamera.

Eine Helferin transportiert in ihrem Lastenrad große Warmhalteboxen, gefüllt mit Schnitzel und einer Nudel-Meeresfrüchte-Pfanne. Ein Restaurant-Besitzer aus dem Stadtteil Bessungen hat es gespendet. Daneben gibt es Säcke voll übrig gebliebener Brötchen und Brot, Töpfe mit dampfender Suppe, Kaffee, Süßigkeiten und Bleche voller Kuchen. Das meiste Essen kochen die Helfer selbst – und sie alle sind keine Menschen, die im Überfluss leben, sie wollen einfach etwas Gutes tun.

Während ein obdachloser Mann eine warme Mahlzeit zu sich nimmt, unterhält er sich mit einer Helferin. Beide lachen.
Eine obdachlose Frau trinkt ein Joghurtgetränk.
Zwei obdachlose Männer essen gemeinsam, einer lächelt in die Kamera.

Hier fragt niemand, warum man da ist. Wer sich anstellt, bekommt etwas zu essen.

Fünf vor eins: Die Schlange wird immer länger, alle haben Hunger. Nicht jeder Besucher ist obdachlos, aber hier fragt niemand nach, warum man da ist. So lange es Essen gibt, wird es verteilt, egal ob jemand auf der Straße oder im Wohnheim lebt. Wer sich anstellt, bekommt auch etwas. Heute gibt es sogar so viel, dass die Helfer am Ende Plastikboxen füllen, die sich die Menschen mitnehmen. Manchmal gibt es weniger Essen, dann achtet Tina darauf, dass die Obdachlosen auf jeden Fall genug bekommen.

Ein obdachloses Pärchen verlässt den Platz. Sie trägt mehrere Kleidungsstücke auf den Armen, er lacht in die Kamera.

Miteinander – ohne Wenn und Aber

Nachdem alle gegessen haben und mit Klamotten versorgt sind, stehen die Menschen in Gruppen zusammen, unterhalten sich, ein paar Männer spielen Frisbee. Besucher merken schnell: Hier geht’s nicht nur um Essen und Klamotten. Es geht darum füreinander da zu sein – ohne Wenn und Aber.

*Name von der Redaktion geändert

Autorin

Anke Helène

Fotograf

Jan Ehlers

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18 Kommentare

Stephan 04.11.2015, 16:22 Uhr

Schöner Bericht, gut gemacht. Danke!

Antworten
Traudl B. (59) – 04.11.2015, 17:22 Uhr

Wunderschöner und herzlicher Bericht, danke!

Antworten
Bianca (30) – 04.11.2015, 18:59 Uhr

Dankeschön für diesen tollen bericht,

Antworten
john (42) – 04.11.2015, 20:14 Uhr

Wunderbar wie ihr mich abgelichtet habt!!!????

Antworten
Inge (64) – 04.11.2015, 20:36 Uhr

Hochachtung vor den Helfern, die unsere Obdachlosen nicht vergessen. Danke Euch

Antworten
Sabrina Anna (35) – 04.11.2015, 21:07 Uhr

Schade, dass eine Förderung nicht möglich ist.. Ein wunderbarer Bericht von wunderbaren Menschen.

Antworten
Tina Benz (42) – 04.11.2015, 22:13 Uhr

Danke für den Bericht mit den tollen Fotos. Wer uns unterstützen möchte, darf gerne in die Facebook-Gruppe kommen: https://www.facebook.com/groups/Odachlosen.helfen/?fref=ts

Antworten
Jens (42) – 05.11.2015, 00:13 Uhr

Tolle Initiative, danke Tina!

Antworten
nadine (31) – 05.11.2015, 08:24 Uhr

Tina und ihre Helfer sind einfach die besten.

Antworten
Dieter Peter (52) – 20.02.2016, 10:48 Uhr

Laute unterstützung

Antworten
Sabi Uskhi (51) – 04.11.2016, 13:05 Uhr

Tolle Arbeit die in Darmstadt für die Ärmsten der Armen unternommen wird Daumen hoch

Antworten
Sabrina Fischer (37) – 20.02.2017, 09:19 Uhr

Danke für die engel in darmstadt für mich sind es helfende Engel und ich bin froh das es sie gibt

Antworten
Sabrina Hövelmann (35) – 20.02.2017, 17:08 Uhr

Tina Benz wir kenne uns jetzt schon lange ich bewundere Dich und dein Team davon können sich mancher Reicher Schnösel eine Scheibe abschneiden. War selber fühle da am Hauptbahnhof chakier hoffe es bleibt uns alle lange erhalten .

Antworten
Gaby (50) – 22.02.2017, 08:20 Uhr

Ich finde das Super das es Menschen gibt die den Ärmsten die nichts haben zu Hilfe kommen mein aller größten Respekt an Tina und ihre Helfer eine wirklich ganz Wunderschöne Idee ich würde auch sehr sehr gerne helfen ich Wohne in Wiesbaden liebe Tina du kannst mir bestimmt sagen wo ich mich hinwenden kann liebe Grüße Gaby

Antworten
Ute (56) – 21.08.2017, 22:39 Uhr

Es wäre neben der schon immer geleisteten sozialen Hilfe zu zeigen, wie man aus dieser Situation wieder raus kommt, Den in unseren reichen Deutschland braucht keiner auf der Straße zu leben. Das garantiert schon Artikel 4 des Grundgesetzes der BRD. Ich finde egal welches Alter man hat Wohnung oder Unterkunft, Arbeit und Bildung sind unerlässlich, um sein Leben in den Griff zu bekommen.

Antworten
Sabrina Hövelmann (35) – 13.11.2017, 14:11 Uhr

Ich kenne es Zugut da ich das alles hinter mir habe. Obdachlos Hunger kein Geld.

Antworten
Irmgard (72) – 26.02.2018, 22:04 Uhr

Ich habe eine Minirente von 351 Euro Rente,mein Ehemann 283 Euro Rente plus 90 Euro Grundsicherung für uns zwei.Wo bekomme ich Hilfe?Ich wohne im Landkreis Passau/Niederbayern

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Katharina Hofmann 27.02.2018, 09:14 Uhr

Liebe Irmgard, einige Infos über Hilfsangebote für Senioren findest Du auf der Webseite des Landkreises: https://www.landkreis-passau.de/senioren-gesundheit-soziales/soziales-und-senioren/ Hier gibt es auch einen Seniorenwegweiser: https://www.landkreis-passau.de/media/2567/seniorenwegweiser_lkr-passau_2017.pdf Auf unserer Webseite kannst du dich außerdem über soziale Projekte in deiner Nähe informieren: https://www.fernsehlotterie.de/helfen/foerderprojekte-in-der-naehe/#/

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