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Kleine Racker zu Besuch bei Rentnerinnen

Drei betagte Frauen in Altenburg wollen’s noch einmal wissen: Sie verbringen ihren Ruhestand in einer Wohngemeinschaft. Das Haus teilen sie sich außerdem mit 70 Kindern aus der Kindertagesstätte „Zwergenland“. Darum geht es manchmal lauter zu – und oft auch zuckersüß.

Bing Crosby träumt im Radio gerade von weißer Weihnacht, als Brunhilde Wieckhorst, Ingrid Lichtenstein und Ilse Siegel an diesem Adventvormittag in ihrem sonnendurchfluteten Wohnzimmer sitzen. Es riecht nach Keksen, Geschenke hängen schon am wundervoll dekorierten Weihnachtsbaum. Die drei Seniorinnen sind Mitbewohnerinnen, sie leben in einer echten Wohngemeinschaft. Zugegeben, einer ungewöhnlichen. Denn im „Haus der Generationen“ in Altenburg gibt es noch eine Begegnungsstätte und die Kindertagesstätte „Zwergenland“. Wie kann es da so ruhig bleiben?

Seniorinnen sitzen mit Kindern auf dem Sofa und Kuscheln

Das bleibt es gar nicht: Fünf Kinder aus der Kita tapsen nämlich plötzlich in das Wohnzimmer der Wohngruppe „Rote Spitzen“ – manche etwas schüchtern, manche sehr forsch. Die Augen werden groß, als sie die Schüsseln mit den Plätzchen entdecken. Die wollen die Rentnerinnen heute gemeinsam mit den Kindern verzieren. Doch erstmal sucht sich jedes Kind eine Bewohnerin zum Kuscheln.

In der Weihnachtsbäckerei

Der kleine Bruno stimmt an, dann singen alle: „In der Weihnachtsbäckerei gibt’s so manche Leckerei …“ Genau die ist jetzt eröffnet. „Das sind ja viel zu viele Zuckerherzen“, sagt Ilse Siegel. Sie sieht den Keks vor lauter Deko nicht mehr. „Ich will aber noch mehr!“, sagt Roro und Ilse Siegel lässt sie gewähren.

Ein Mädchen mit braunen geflochtenen Zöpfen tropft Schokosoße von einem Löffel auf ein Plätzchen. Eine ältere Dame mit weißen Haaren sitzt neben ihr und sagt etwas.
Ein kleiner Junge nimmt sich unverzierte Plätzchen aus einer großen Schüssel.
Plätzchen verziert mit Schokostreuseln, rosa, rot, weiß, blauen Streuseln und rosa Zuckerherzen liegen auf einem Backblech.

Bruno verteilt die grüne Lebensmittelfarbe auf einem Keks, den er sich ausgesucht hat. Außerdem auf dem Tisch und auf seinen Händen. Das ist ganzheitliches Arbeiten im Haus der Generationen – und Fingerablecken ist das neue Händewaschen.

Hier sind alle für einander da und jeder akzeptiert die kleinen Macken der anderen – wie in einer Familie.
Katja Tschirpe, Präsenzkraft

Sandra Schneider, die Einrichtungsleiterin der AWO-Seniorenwohnanlage, steht daneben und schaut gespannt zu. „Das letzte Backen war eine richtig schöne Sauerei.“ Mal sehen, wie es diesmal endet. Die Damen in der WG sind da zum Glück nicht so empfindlich.

Info

  • Die Wohngruppe „Rote Spitzen“ ist erst im September 2016 im frisch sanierten Haus der Generationen eröffnet worden. Die Umbauarbeiten wurden von der Deutschen Fernsehlotterie mit rund 300.000 Euro gefördert.
  • Das Konzept der Wohngruppen richtet sich speziell an Menschen mit einer Demenzerkrankung im Anfangsstadium. Präsenzkräfte kümmern sich um die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und helfen, wenn sie gebraucht werden.
  • Eine weitere Wohnung steht noch leer, das Projekt soll ausgebaut werden. Interessierte, potenzielle Bewohner können nach Voranmeldung die bestehende Wohngemeinschaft besichtigen.

Jeder entscheidet selbst – und vor allem mit

„Hier wohnen tolle Menschen“, sagt Katja Tschirpe. Sie arbeitet als so genannte Präsenzkraft im Haus der Generationen und assistiert den Jungen und Alten beim Plätzchenschmücken. Über das Zusammenleben sagt sie: „Jeder leidet mit den anderen mit – wie in einer Familie. Und alle kommen mit den Macken der anderen klar.“

Kinder sitzen bei Seniorinnen auf dem Schoß und zählen.
Seniorinnen sitzen mit Kindern auf dem Sofa und unterhalten sich prächtig.

Einige Bewohner werden immer vergesslicher, manche dement. Ein Gefühl, das schmerzen kann und auch von den Präsenzkräften im Haus aufgefangen wird. „Wir versuchen, das zu erhalten, was die Menschen hier noch können. Wir bieten ihnen eine neue Umgebung, an die sie sich gut gewöhnen können.“

Ein Ort zum Wohlfühlen

Die WG-Küche nutzen die Bewohnerinnen eher selten – dafür kocht Katja Tschirpe einfach zu gut. Diese Qualitäten hat sie in der Küche einer Altenpflegeeinrichtung perfektioniert. Was ihr damals gefehlt hat, war der direkte Kontakt mit den Menschen. Im Haus der Generationen wird Wert auf einen persönlichen Umgang gelegt, fügt Sandra Schneider hinzu: „Wir helfen unseren Bewohnerinnen auch in schwierigen Momenten, die Ereignisse zu sortieren und zu verarbeiten.“

Eine Seniorin und ihre Tochter sitzen in ihrem Zimmer in einer Senioren-WG.

In dieser Umgebung dürfen die Bewohnerinnen aufstehen und frühstücken, wann sie wollen. „Wir erfüllen gerne die Wünsche unserer Bewohnerinnen – und kriegen alles hin!“ Selbst über die Speisekarte und gemeinsame Aktionen wird basisdemokratisch entschieden. Oder wer als Weihnachtsmann in Frage kommt, wenn die WG an Heiligabend im Wohnzimmer zusammen Bescherung feiert.

Ingrid Lichtensteins Hände sind noch vollgekleckst mit Lebensmittelfarbe, als sie sich kurz zum Verschnaufen auf das Sofa setzt. Elin, Bruno und Emilia folgen ihr. „Setzt euch doch mit dazu“, sagt sie. Doch daraus wird nichts, die drei Kinder wollen lieber Fangen spielen, quietschen vergnügt und tollen um die Bewohnerin herum.

Ich freue mich, wenn uns die lebhaften Kinder besuchen.
Ingrid Lichtenstein, Bewohnerin der Senioren-WG

Als Ingrid später mit ihrer Tochter Nora Günther in ihrem WG-Zimmer sitzt, können die beiden nur davon schwärmen, wie gut es ihr hier geht. „Die Leute sind nett, das Essen schmeckt, mein Zimmer habe ich herrlich dekoriert und ich freue mich, wenn uns die lebhaften Kinder besuchen“, sagt sie. Ihr Hund Werner ist auch immer in der Nähe und längst zum WG-Liebling geworden. Nora Günther freut sich sehr für ihre Mutter und die ganze Familie: „Dass sie hier lebt, ist für uns alle am besten.“

Vier Kinder stehen in einem Spielhäuschen und klappen die Fenster zu und lachen.
Pädagogin der Kinderkrippe Zwergenland.
Zwei blonde, kleine Mädchen krabbeln unter einem Tisch hervor.

In diesem Viertel im Norden von Altenburg bekommen nicht alle Menschen, was sie verdienen. Die Plattenbauten sind längst nicht mehr so gut in Schuss wie früher, junge Leute suchen sich in Leipzig oder Chemnitz Arbeit. Nach 1989 zogen viele Bewohner in die Vorstädte, das ließ die Einwohnerzahl auf 33.000 Menschen schrumpfen. „Viele leben, auf Deutsch gesagt, in Ostruinen“, sagt Kerstin Frühauf-Fiebig, die Kita-Leiterin. „Trotzdem haben die Menschen hier alles, was sie brauchen.“

Das Strahlen in den Gesichtern während der Begegnungen untereinander ist das Schönste hier.
Kerstin Frühauf-Friebig, Leiterin der Kinderkrippe Zwergenland

Mit den unterschiedlichen Ansprüchen der Menschen hier im Haus geht sie gelassen um. „Allen hier ist klar, dass es mal laut wird. Wir arrangieren uns und haben keine Berührungsängste”, sagt die Pädagogin.

Eine Seniorin schaut erfreut zu, wie ein Mädchen einen Schokololli isst.

Der Austausch zwischen Jung und Alt sei eine echte Bereicherung: „Das Strahlen in den Gesichtern während der Begegnungen untereinander ist das Schönste hier. Am liebsten hätte ich, dass die Türen immer geöffnet sind.“

Im Wohnzimmer drückt Bruno seine Nase gegen die Schüssel mit den Plätzchen – verwundert über dieses komische Erwachsenenspiel, bei dem man die Kekse noch nicht essen darf, obwohl sie doch so herrlich verziert vor einem liegen! Brunhilde Wieckhorst jauchzt: „Das war ein richtig toller Vormittag – da zehre ich die nächsten Tage noch von!“ Sie knufft Roro liebevoll in die Seite. „Kommst du uns bald wieder besuchen?“, fragt sie. „Ja!“, sagt Roro und lacht.

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3 Kommentare

Du bist ein Gewinn. Kleine Racker zu Besuch bei Rentnerinnen | GUSTAV BEYER 23.12.2016, 14:34 Uhr

[…] wenn es einen mal zurück wirft. Die lachen und auch mal weinen – und füreinander da sind. Auf Du-bist-ein-Gewinn.de lest hier die ganze Reportage und seht noch mehr hübsche Bilder, die Jan Ehlers an dem Tag gemacht hat. Hier ein erster […]

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Stefanie W. (54) – 01.01.2017, 19:38 Uhr

Menschen profitieren, wenn sie Zeit teilen und miteinander Spaß haben, so wie hier in dem vorgestellten Projekt. Ich bin sehr gerührt von Ihrer Berichterstattung. Nicht nur weil sie mit viel Liebe und Ernsthaftigkeit geschrieben ist, sondern weil sie Menschen zeigt, die so wichtige Werte verinnerlicht haben und vorbildlich nach außen tragen. Ältere Menschen nicht abstempeln, sondern lieben und akzeptieren wie sie sind. Danke für diesen tollen Einblick, wir brauchen mehr davon

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Heinz-Wolf Strache (60) – 06.01.2017, 14:25 Uhr

Wir überlegen auch gerade unsere liebe Mutter in eine Senioren-WG einziehen zu lassen. Doch dass wie hier das Personal die Zeit mitbringt, die auch für persönliche Nähe und nicht nur für sechs Minuten Duschen nötig wäre, hört man leider zu selten. Deswegen kann das hier beschriebene Projekt als Vorbild dienen.

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