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Kinderklinik „On Air“

Für einige Zeit die Krankheit vergessen lassen – so lautet das Ziel des Kinderklinikradios im Olgahospital in Stuttgart. Dort werden junge Patienten zu Radiomachern. Zum Welttag des Radios haben wir die engagierten Jugendlichen bei der Aufnahme einer Sendung begleitet.

Hinter der Tür von Zimmer R 213.2 verbirgt sich eine andere Welt. Auf diesen 20 Quadratmetern stehen keine Betten auf Rädern, es riecht nicht nach Desinfektionsmittel und niemand trägt einen weißen Arztkittel. Stattdessen lädt ein quietsch-grünes Sofa zum Verweilen ein. Darüber hängen Autogrammkarten und Fotos, auf denen Jugendliche in die Kamera grinsen. Durch die bodentiefen Fenster wird der Raum mit Licht durchflutet. Hier stehen zwar auch jede Menge Apparate – mit Medizin haben die aber rein gar nichts zu tun. Die Tür von Zimmer R 213.2 führt in ein Radiostudio, mitten in einem Krankenhaus.

Radio Rio: Mischpult und Redakteurin.

Einen Großteil des Raumes nimmt das Mischpult ein, hinter dem Natascha Könches sitzt und schon die Finger am Regler hat. Die 27-Jährige arbeitet beim Sender Antenne 1 und moderiert seit fast zwei Jahren das Kinderklinikradio RiO in Stuttgart. „Okay, seid ihr bereit für das Spiel?“, fragt sie und meint damit Amelie, Elena und Daisy, die ihr gegenüber an den Mikrofonen Platz genommen haben. „Kann los gehen“, antworten die Mädels fast gleichzeitig und Natascha nickt. „Okay, wir spielen passend zur Fastnachtszeit ein Verkleidungsraten“, sagt sie und erklärt die Regeln: Immer eine zieht einen Zettel, auf dem der Name eines Kostüms steht, die anderen beiden sollen es erraten – als Antworten kriegen sie aber immer nur ein Ja oder Nein. „Ihr habt eine Minute Zeit, los geht’s.“

Klinikardio Rio: Junge Patientin zieht einen Zettel aus einem Jutesack.
Radio Rio: Redakteurinnen und Patientin schauen sich den gezogenen Zettel an.

Daisy greift als erste in die Jutetasche und setzt sich neben die Moderatorin hinter das Mischpult. Dann löchern Elena und Amelie sie mit Fragen: „Bist du ein Tier? Ein Superheld? Bist du gefährlich?“, aber von Daisy kommt immer nur ein Nein. Nach einer Minute löst sie auf: „Ich bin ein Polizist!“. Ein ausgedehntes „Aaaaaaaaah“ raunt durch den Raum. „Ich hab’ jetzt extra keine ganz abgefahrenen Kostüme ausgesucht“, erklärt Natascha, „die Sechsjährigen müssen ja auch eine Chance haben die Lösung zu erraten.“ Das nämlich ist das Besondere an dem Mitmachradio in der Kinderklinik: Das Programm wird von Kindern und Jugendlichen für andere junge Patienten gemacht und kann über den Monitor an jedem Krankenbett live oder in Sendeschleife gehört werden. Für viele eine kleine Dosis Spaß und Ablenkung vom Klinikalltag.

Für mich war es immer erstaunlich zu sehen, wie witzig und unbeschwert die Kinder sind, trotz ihrer Ängste, Sorgen und Schmerzen.
Natascha Könches, Redakteurin bei Radio Rio

Die jungen Radiomacher sind als Reporter unterwegs und berichten über aktuelle Themen, sprechen Witze ein oder verraten ihre Lieblingsbücher. In den vergangenen Jahren kamen hunderte Beiträge zusammen: Gespräche mit dem Klinikkoch, mit dem Kioskbesitzer und dem Pförtner. Aber auch Prominente wie Ex-Fußballer Thomas Hitzlsperger, Sänger Nico Santos oder Herzog Carl von Württemberg waren schon zu Gast. Betrieben wird das Radio seit 2008 vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. „Wir wollen mit diesem Freizeit-und Bildungsangebot den Kindern eine Stimme geben“, erklärt Hina Marquart vom Landesverband.

Mikro an, Alltag aus

Elena spricht heute das erste Mal in das Mikrofon. „Das fühlte sich erst fremd an“, verrät die 16-Jährige und befreit ihr Gesicht von einer ihrer wilden Strähnen. „Jetzt aber macht es nur noch Spaß“, sagt sie, „und ich könnte mir das sogar beruflich vorstellen, wenn ich nicht etwas lispeln würde.“ Alle schauen verdutzt. „Das hab’ ich ja noch nie bemerkt“, antwortet die 14-jährige Amelie. „Und selbst wenn“, sagt Moderatorin Natascha Könches, „hier spielt das keine Rolle.“ Sie erzählt, dass bei RiO schon geflüchtete Kinder mit wenigen Sprachkenntnissen, oder Jugendliche mit einer Schluckstörung mitgemacht haben. „Die Lust am Mikro ist das Einzige, was zählt.“ Daisy hat diese Leidenschaft so richtig gepackt. „Wenn es ohne Stolperer klappt, pusht mich das total“, sagt die 16-Jährige. „Eine tolle Erfahrung!“

Klinikradio Rio: Eine Patientin sitzt vor dem Mikrofon.
Klinikradio Rio: Zwei Patientinnen sitzen vor den Mikrofonen und schauen sich an.
Klinikradio Rio: Redakteurin sitzt am Mischpult.

Ohne die Mithilfe des Radiosenders Antenne 1 wäre das so vielleicht nie möglich gewesen. Programmchef Alexander Heine erinnert sich noch gut an die Anfänge. Das ehemalige Studio habe in der alten Klinik in einem Schwesternzimmer gestanden, getränkt im 60er-Jahre Flair, die Technik sei spartanisch gewesen und nicht immer habe die Übertragung an alle Betten geklappt. RiO hielt sich mithilfe von Freiwilligen und Spendenmittel über Wasser. Alexander Heine wollte helfen. Seit fast vier Jahren nun stellt der Sender eine Volontärin, die drei Tage die Woche in der Kinderklinik unterwegs ist. Eine, die nicht nur Lust auf Radio, sondern auch auf das sensible Umfeld hat. Für Natascha Könches genau die Mischung, die sie suchte. „Für mich ist das der absolute Traumjob“, sagt sie. Einen, den sie demnächst an Jasmin Zinßmeister weitergibt – die ihr heute über die Schulter guckt. „Das ist ein Ort, wo man wachsen kann. Die Kinder und Jugendlichen, aber auch wir Radiomacher“, sagt Programmchef Heine.

Klinikradio Rio: Eine Patientin am Mikrofon, auf den Kopfhörern steht "Radio Rio".
Klinikradio Rio: Frau Marquart vom Paritätischen und Programmchef Heine.
Klinikradio Rio: Die beiden Redakteurinnen sitzen vor dem Mischpult und lachen.

Natascha Könches nickt. „Für mich war es immer erstaunlich zu sehen, wie witzig und unbeschwert die Kinder sind, trotz ihrer Ängste, Sorgen und Schmerzen“, erzählt sie. Auf den Erkrankungen liegt bei RiO nicht der Fokus. Im Gegenteil. „Unser Ziel ist es, sie für eine Weile aus dem Krankenhausalltag herauszureißen. Die Krankheiten sind deshalb auch kein Thema.“ Nur in der Rubrik „KraKiJu“ (Krankheiten im Kindes- und Jugendalter) sprechen Freiwillige, manchmal auch gemeinsam mit ihren Ärzten, explizit über ihre Diagnose. In der restlichen RiO-Zeit sollen die jungen Radiomacher einfach sie selbst sein: Kinder, Jugendliche – und keine Patienten.

Über Radio RiO

  • Das Kinderradio berichtet jeden Mittwoch live über das Leben im Krankenhaus, sendet Wissenswertes über den Klinikalltag und informiert über aktuelle Themen. Die jungen Patienten zwischen sechs und 18 Jahren sind dabei nicht nur Hörer, sondern auch Macher des Programms.
  • Die Deutsche Fernsehlotterie unterstützte das Projekt mit 7.000 Euro. Mit dem Geld konnte das Studio ausgebaut und neue moderne Sendetechnik installiert werden.

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5 Kommentare

Anni Schmidt (45) – 17.04.2018, 09:51 Uhr

Eine tolle Aktion, ich bin sehr begeistert!

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Oli (29) – 01.06.2018, 19:57 Uhr

Super Aktion!!! Weiter so und liebe Grüße aus Berlin.

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Karin (68) – 27.11.2018, 11:03 Uhr

Eine ehemalige Kollegin von mir ist seit Geburt an blind, sie schickt mir aber immer wieder Sprachmitteilungen auf Handy und erzählt, was alles so passiert ist. Ich freue mich immer, weil sie so eine interessante Stimme hat. Sie erinnert mich an eine Radiosendung aus meiner Kindheit: Tagebuch von Steffi Bimborg, noch bekannt? Könnte man meine Bekannte als Vorleserin einsetzen? Ich weiß zwar nicht genau wie, evtl. dass FFN-Team!?

Jan Hölterling (42) – 10.08.2018, 07:10 Uhr

Super Aktion!!! Das ist sogar bis in den Norden durchgedrungen.

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Bettina (55) – 12.08.2018, 06:28 Uhr

Super Idee! Bin ganz gerührt!

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Martin (65) – 02.10.2018, 21:29 Uhr

Eine wunderschöne Idee. Wäre auch etwas für Frankfurts Kinderkrebsstation und den HR. Toll.

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