Hallo Nachbar! Lust auf einen Kaffee?
In Münster gibt es einen neuen Treffpunkt: das Garten-Café im Mehrgenerationenhaus Mathildenstift. Hier plaudern Studenten mit Senioren, Demente mit Musikern, Einheimische mit Zugezogenen. Über den Kuchentellerrand hinaus entsteht so ein ganz neues Wir-Gefühl in der Nachbarschaft.
An dem Flügel im Gartensaal sitz Anne Rincke. Sie spielt „Für Elise“ – und wird dabei von zwei Seniorinnen neugierig beobachtet. Drei Lieder später wagt sich eine der beiden Damen näher, fragt: „Darf ich auch mal probieren?“ Die junge Studentin steht auf, sagt: „Natürlich, gerne.“ Die Seniorin drückt ein paar Tasten, nun traut sich auch die andere Dame heran. „Geben Sie auch Unterricht?“, fragt sie Anne. Diese schüttelt den Kopf. „Nein, das schaffe ich neben dem Studium leider nicht…“ Die drei unterhalten sich ein wenig weiter, über Musik, das Studium, die Nachbarschaft.
Quartiersmanagerin Nadin Linz schaut sich die Szene lächelnd von der anderen Seite des Raumes aus an. „Das ist toll, dass wir hier heute auch so schöne musikalische Untermalung haben“, sagt sie und seufzt. Ein zufriedenes Seufzen. Denn heute ist der große Tag, auf den sie lange hingearbeitet hat: Die Eröffnung des Garten-Cafés im Mehrgenerationenhaus Mathildenstift in Münster. Bisher haben hier, im Gartensaal, nur die Mieter regelmäßige Kaffeerunden abgehalten. Nun sollen auch Menschen aus der Umgebung kommen – zum gemütlichen Beisammensein und Kennenlernen.
Es ist wunderbar. Man sitzt in der Natur, die Vögel singen und trotzdem ist man mittendrin in der Stadt.
Die junge Studentin am Klavier lebt in der Nachbarschaft. „Sie war monatelang an unserem Haus vorbeigegangen und hat den Flügel durch das Fenster bewundert“, erzählt Nadin Linz. „Dann hat sie sich ein Herz gefasst und mich gefragt, ob sie darauf üben dürfe.“ Und so kommt es, dass es schon von der Straße aus zu hören ist, dass heute im Mehrgenerationenhaus etwas Besonderes stattfindet.



Die ersten neugierigen Gäste sind auch bereits da, unter ihnen Marianne Paschen. Die 68-Jährige ist mit dem Fahrrad gekommen und hat an einem der Tische im Garten Platz genommen. „Du nimmst ganz schön etwas auf dich, die vier Kilometer mit dem Rad!“, sagt Nadin Linz, als sie sich zu ihr setzt. Frau Paschen lebt nicht im Quartier, nimmt aber dennoch gern die Angebote hier wahr. Das lokale Anzeigenblatt hat sie einst her geführt – damals zum offenen Handarbeitstreff. Seitdem ist sie regelmäßig Gast im Mehrgenerationenhaus. „Alleine Stricken macht nicht so viel Spaß und in meiner Nachbarschaft gab es keine Angebote“, erzählt sie.
Die Rentnerin nippt an einer Tasse Kaffee, lehnt sich im Stuhl zurück und genießt die Sonnenstrahlen. Sie schaut in den Garten, auf ein Rosenbeet. „Es ist wunderbar“, sagt sie dann. „Man sitzt in der Natur, die Vögel singen… und trotzdem ist man mittendrin, in der Stadt.“

Frau Paschen hat sich vorgenommen nun öfter ins Café zu kommen. Weil sie hier neue Leute kennenlernt. Und auch, weil der Kuchen besonders lecker schmeckt. „Der stammt aus unserem Backtreff“, erklärt ihr Nadin Linz. Dieser findet zweimal pro Woche statt – ab jetzt immer dienstags und donnerstags, bevor das Garten-Café öffnet. „Zwei Bleche stammen außerdem aus der Demenz-WG im zweiten Stock“, fügt Nadin hinzu.
Ich strecke immer meine Fühler ins Quartier aus und schaue, ob unsere Ideen nach wie vor den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.
Seit 2015 befindet sich im Mathildenstift, das zuvor ein Altenheim war, das Mehrgenerationenhaus. Wohnen kann hier jeder – vom Student bis zum pflegebedürftigen Rentner. „Natürlich ist unser Ansatz eine altengerechte Quartiersentwicklung“, sagt Nadin Linz. „Aber wir wollen auch intergenerative Angebote schaffen, das ist uns wichtig.“ Neben dem Café organisiert die engagierte 30-Jährige seit ihrem Start im letzten November auch eine Veranstaltungsreihe zu verschiedenen Themen, zuletzt ging es um tiergestützte Therapien. „Ich strecke zudem auch immer die Fühler ins Quartier aus und schaue, ob unsere Ideen nach wie vor den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.“

Die Idee zum Garten-Café kam gemeinsam mit Mietern und Nachbarn. Viel Herzblut haben Nadin und ihr Team aus rund acht Ehrenamtlichen hineingesteckt: Auf der Straße lädt ein Kreideschild zum Einkehren ein, im Saal hängen blaue und weiße Lampions und im Garten wiegen Luftballons und Wimpel-Girlanden im Wind. Auf den Tischen steht Besteck in alten Blechdosen, die mit Schleifen verziert sind – und einem Etikett, jeweils mit einem Straßenname aus dem Quartier beschriftet. Jeder soll sich hier wiederfinden und wohlfühlen.
Tag der Nachbarn
Am 24. Mai 2019 feiern Nachbarschaften in ganz Deutschland wiederden Tag der Nachbarn. Ob Picknick, Grillparty, Wohnzimmerkonzert oder auf der Straße: Egal wie klein oder groß das Fest wird, die nebenan.de Stiftung unterstützt Nachbarn bei der Organisation (www.tagdernachbarn.de) Auch der Leitfaden aus Merkstein bietet hier eine tolle Orientierung.
Übrigens: Wir sind auch wieder als Partner beim Tag der Nachbarn mit dabei!
Ab dem 20. Mai 2019 stellen wir Dir verschiedene Nachbarschaftsprojekte vor. Schau dann noch einmal auf unserer Seite vorbei und flaniere mit uns durch unser virtuelles Viertel.
Noch ein Geheimtipp, bald Mittelpunkt der Nachbarschaft
Im Gartensaal begrüßt Doris, eine der ehrenamtlichen Helferinnen, einen neuen Gast. „Für mich ist es das erst Mal, dass ich so etwas mache“, erzählt die 65-Jährige, während sie ein Stück Kuchen für den Neuankömmling schneidet. „Ich freue mich, dass ich hier aufgenommen wurde!“ Maria, ebenfalls eine Helferin, hat bereits etwas mehr Erfahrung im Ehrenamt: „Ich betreue eine junge Frau aus Afghanistan“, erzählt die 67-Jährige. „Sie kommt später auch noch vorbei – und vielleicht hat ja auch sie Lust, ab und zu hier zu helfen.“ Maria lebt im Mietshaus nebenan. „Ich finde die Idee, das Quartier miteinzubeziehen, toll!“, sagt sie. „In meinem Haus leben viele Frauen alleine. Man sagt zwar, man möchte sich treffen, doch im privaten Rahmen funktioniert das nicht so richtig. Das Café bietet jetzt einen tollen Treffpunkt!“
Die jüngste der Helferinnen heute ist Sarah. Die 25-Jährige studiert in Münster und packt nebenbei gern mit an. Gerade wischt sie mit Conni, die früher selbst ein Café hatte und bereits die Mieter-Kaffeerunder organisiere, die Tische.

„Ich hätte nicht gedacht, dass sich so viele freiwillig melden“, schwärmt Nadin von ihrem Team. „Es sind so viele, und so unterschiedliche Menschen dabei. Das ist eine echte Bereicherung.“ Durch die große Glastür treten neue Gäste in den Garten. „Mensch, das ist ja schön geworden“, schwärmen sie. Nadin winkt ihnen von ihrem Platz aus zu. „Ach, da muss ich kurz einfach mal innehalten“, sagt sie und lächelt, während sie das Treiben im Garten beobachtet. „Wenn man so lange plant und dann sieht man dieses tolle Ergebnis… Das ist schön.“

Noch sind einige Plätze frei. Nicht alle Nachbarn haben heute den Weg ins Mehrgenerationenhaus gefunden. Doch das Garten-Café wird sich garantiert schnell als „Geheimtipp“ herumsprechen – und als Mittelpunkt im Viertel die Nachbarn bei Kaffee und Kuchen näher zusammenrücken lassen.
Info
- Das Mehrgenerationenhaus Mathildenstift der DRK Schwesternschaft Westfalen e.V. liegt in der Mitte der Nördlichen Altstadt von Münster. Von den rund 8.000 Menschen, die im Quartier leben, sind 1.262 im Seniorenalter – und von diesen lebt ca. jeder Dritte in einem Singlehaushalt.
- Durch intergenerative Angeboten möchte Quartiersmanagerin Nadin Linz der Gefahr, im Alter isoliert zu leben und zu vereinsamen, entgegenwirken. Erste Angebote sind u.a. ein Nachbarschaftsflohmarkt, ein Backtreff, Bewegungsangebote und das Garten-Café.
- Wir freuen uns, dass wir die Arbeit des Mehrgenerationenhauses und das Streben nach einem nachbarschaftlichen Miteinander mit 113.745 Euro unterstützen können!
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