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Der Hundertjährige, der ins Wasser stieg und schwamm

Laut einer aktuellen Studie kann jeder zweite Grundschüler nicht richtig schwimmen. Leopold Kuchwalek aus Berlin steuert mit viel Engagement dagegen: Seit 34 Jahren macht er Kinder fürs Wasser fit – als ältester Ehrenamtlicher in Deutschland.

„Haaaaallo Leo!“ Ein kleiner Junge in blauen Hosen kommt fröhlich in das Reha-Bad am Teltower Damm gerannt. Auf dem Rücken baumelt ein kleiner Rucksack, in der linken Hand ein buntes Handtuch. Mit der anderen begrüßt der Kleine seinen Schwimmtrainer. „Heute is keen Wasser drin“, sagt Leo. „Det haben wir abjelassen.“ Der Junge reißt die Augen auf und läuft los. An der Tür zum Schwimmbecken drückt er die Nase fest an die Glasscheibe. Dann atmet er erleichtert aus, dreht sich um und zieht Leo eine Schnute. Dieser lacht – die kleinen, hellblauen Augen leuchten spitzbübisch aus seinem faltigen Gesicht.

Leo lacht
Kind im Eingang der Schwimmhalle

Seit seinem ersten Tag als Ehrenamtlicher bei der DRK Wasserwacht begrüßt Leopold Kuchwalek jeden kleinen Kursteilnehmer persönlich – und macht dabei auch gern mal Späße.

Vor 34 Jahren ging er in Pension. Doch von Ruhestand wollte er damals nichts wissen, suchte lieber nach einer Gelegenheit, aktiv zu bleiben und dabei anderen zu helfen. „Ich kann nicht stillstehen. Und Schwimmen mochte ich schon immer“, sagt er. Als junger Mann nahm er an Wettbewerben teil. Bescheiden fügt er hinzu: „Manchmal habe ich sogar auch gewonnen.“

Gerade die jungen Kinder kommen oft mit vielen Ängsten, doch Leo kann diese durch sein Wesen und seinen Humor meist schnell lösen.
Dieter Stiller, ehrenamtlicher Schwimmlehrer im Reha-Bad Teltower Damm

Über den DRK Kreisverband Steglitz-Zehlendorf kam er dann schließlich hier her, als ehrenamtlicher Schwimmtrainer für die ganz Kleinen. Seitdem macht er zwei Mal in der Woche zusammen mit seinen Kollegen Dieter Stiller und Dieter Kauer Grundschüler fit für das Seepferdchen-Abzeichen. „Die Arbeit mit Kindern ist für mich etwas Großartiges“, sagt er. „Sie hält mich jung!“ Fast wäre jedoch alles anders gekommen: Die damalige Leiterin des Reha-Bads hatte Bedenken, Leo einzusetzen. „Sie dachte, ich wäre mit 66 Jahren zu alt“, erzählt dieser und lacht – im April 2017 feierte Leo seinen 100. Geburtstag.

Mit Ruhe und Geduld

Vorsichtig steigen die ersten Kinder ins Becken, die roten Schwimmbretter fest in den kleinen Händen. Leo steht bis zum Bauch im Wasser. Ein Junge paddelt an ihm vorbei. Er schnappt sich seine Füße und zieht ihn ein Stück zurück. Der Junge lacht. „Na, so geht das“, sagt Leo. „Beine laaaang, anziehen, auseinander, zusammen.“ Ein paar Mal üben die beiden gemeinsam die Bewegung, dann darf der Junge weiter schwimmen. „Viel besser!“, ruft ihm sein Trainer hinterher. Das Kind grinst stolz.

Leo übt mit einem Jungen das Schwimmen
Die Kinder schwimmen mit roten Schwimmbrettern
Leo lobt ein Mädchen beim Schwimmtraining

Leos erste Schwimmversuche sahen dagegen ganz anders aus. „Mein Onkel sagte zu mir: Det kannste, los spring da rin!“, erinnert er sich. Mit „da rin“ war der Hohenzollernkanal gemeint. Da war Leo 15. Er bewies Naturtalent. „Ich bin gesprungen – und noch lebe ich, also konnte ich wohl auch schwimmen…“ Damals war er aber noch etwas größer. „1,71 Meter, ein halber Riese“, wie er sagt. Heute sei er „etwas geschrumpft“ – doch schwimmen, das kann er noch immer richtig gut.

Du möchtest Dich engagieren wie Leo? Hier sind ein paar Tipps!

  • Wer sich im Ruhestand fit halten und gleichzeitig helfen will, ist in einem aktiven Ehrenamt genau richtig! Infos, wie Du dich beim Deutschen Roten Kreuz engagieren kannst, findest Du hier.
  • In vielen Städten gibt es zudem Freiwilligenzentren, die wissen, wer gerade Helfer sucht. Bundesweite Infos gibt es online zum Beispiel im Ehrenamtsportal oder bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen.
  • Kleiner Tipp: Wem die Zeit für ehrenamtliches Engagement fehlt, kann auch mit einem Los der Deutschen Fernsehlotterie zu einem Gewinn für alle werden, die Hilfe brauchen. Denn mit jedem verkauften Los werden soziale Projekte in Deutschland unterstützt.

Im Schwimmbad warten die Kinder inzwischen ohne Bretter am Beckenrand, brav in einer Reihe. Leo steht unten im Wasser. „Hopp!“, ruft er und sein Schüler springt mutig ins Wasser. Dann legt sich der Junge in Leos Arm und beginnt, mit seiner Unterstützung das Rückenschwimmen zu üben.

Junge springt Leo in den Arm
Das Wasser spritzt
rückenschwimmen

„Leo macht alles mit viel Ruhe und Geduld. Das wirkt sich auf die Kinder aus“, sagt Kollege Dieter Stiller. „Gerade die ganz Kleinen kommen oft mit vielen Ängsten. Leo kann diese durch sein Wesen und seinen Humor lösen und sie beruhigen. Am Ende gehen sie alle glücklich aus dem Wasser!“

Wenn Erwachsene, denen ich vor Jahren das Schwimmen beigebracht habe, heute ihre Kinder zu uns bringen, haben wir alles richtig gemacht.
Leopold Kuchwalek, ehrenamtlicher Schwimmtrainer

Als Lehrer nimmt Leo es ganz genau. Konzentriert führt er den Jungen auf seinem Arm durchs Becken, den Blick immer fest auf die Beinarbeit und die richtige Ausführung der Bewegung gerichtet. „Laaang machen“, sagt er immer wieder. „Du musst dich gaaanz lang machen!“ So geht es einmal im Kreis durchs Becken – bis kurz vor Schluss. Dann schnappt sich Leo das Kind, klemmt es sich unter den Arm und lässt es kräftig mit den Beinen strampeln. Der Junge lacht vergnügt, das Wasser spritzt. Spaß muss eben auch sein.

wasserspaß
wasserspaß

Auf das Herz hören

„Das Lachen der Kinder ist das Schönste. Man hat ja sonst nicht viel zu lachen“, sagt Leo. Freude bereitet ihm aber auch noch eine weitere Leidenschaft: sein kleiner Garten. Dort verbringt er seine Zeit am liebsten, wenn er nicht gerade in der Schwimmhalle ist. „Da gibt es immer etwas zu tun“, sagt er. „Oder ich schlendere durch den Einkaufsboulevard.“ Manchmal wird er dort angesprochen. Von Erwachsenen, die vor Jahren bei ihm das Schwimmen gelernt haben. Viele bringen heute ihre Kinder zum Kurs. „Wenn das so kommt, dann haben wir alles richtig gemacht“, sagt Leo und wird dabei ein bisschen größer – ja, darauf kann man auch ruhig stolz sein. Seit dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren lebt er alleine in seinem Haus in Berlin. Einsam ist er aber nicht: Der Sohn wohnt nebenan, die Tochter nur fünf Minuten weiter. Sie hat ihn heute auch zum Schwimmbad gebracht.

leo mit schüler

Mittlerweile stehen die Teilnehmer des nächsten Kurses aufgeregt am Beckenrand. Diese Gruppe kann bereits schwimmen und wird von Leo und seinen Kollegen auf das Bronze-Abzeichen vorbereitet. Nach und nach hüpfen die Kinder ins Wasser. Sie begrüßen ihre Trainer freudig und planschen um sie herum. Dann geht es los. „So, alle mal hier an den Rand“, ruft Dieter Stiller. „Und jetzt einmal rüber tauchen!“ Leo erwartet die kleinen Wasserratten auf der anderen Seite des Beckens. Dort stellen sie sich erneut auf. „Uuuund zurück!“, ruft Stiller wieder. Die Kinder tauchen ab – und plötzlich ist auch Leo verschwunden! Wenige Sekunden später steckt er den Kopf wieder aus dem Wasser: Er ist mit seinen Schülern durchs Becken getaucht.

leo taucht

Dann hat Leo genug. Nach gut eineinhalb Stunden steigt er aus dem Wasser. „Wenn ich merke, dass mir kalt wird, geh ich raus“, erklärt er. Er duscht einmal kalt, um seinen Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Dann kommt er zurück. „Vor zehn Jahren hatte ich einen Herzinfarkt“, erzählt er. „Seitdem trage ich einen Schrittmacher. Ich fühle mich fit! Aber ich höre auf meinen Körper und passe auf mich auf.“ Während seine Kollegen den Kurs weiterführen, kümmert sich Leo um das Drumherum: Er reicht Ringe zum Tauchen an, stempelt die Kurs-Karten der Kinder ab und gibt Tipps vom Beckenrand aus.

Als der Schwimmunterricht vorbei ist, gesellen sich Dieter Stiller und Dieter Kauer zu ihrem Kollegen. Ans Aufhören denkt Leo nicht. Und wenn doch, wird es ihm schnell wieder ausgetrieben. „Nee”, sagt Stiller und legt seinem Freund den Arm um die Schulter. “So lange er es schafft, bleibt Leo hier!”

leo porträt

Mutmacher

Autorin

Katharina Hofmann

Fotograf

Jan Ehlers

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3 Kommentare

Barbara (50) – 21.06.2017, 18:18 Uhr

Lernhilfe für Immigrations-Kinder; Familienpatenschaft; mein Traum: mit einer RentnerWG einen Gnadenhof für Tiere führen

Antworten
Susanna (57) – 03.12.2017, 16:01 Uhr

Bin dabei!!!!!!

Antworten
Ramona (56) – 22.01.2019, 18:55 Uhr

Etwas für arme Menschen tun. Zum Beispiel, Leute die auf der Straße leben mit Kleidung und Essen versorgen. Oder schwer kranken Menschen einen letzten Wunsch möglich machen.

Antworten