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Bibliotheken: Verstaubt – oder visionär?

Wir werfen einen Blick in Bibliotheken und stellen die Frage: Wie haben sie sich entwickelt – und welche Rolle spielt ihr kommunales Engagement in Stadt und Land für die Zukunft unserer Gesellschaft?

Smartphones machen es möglich, alles und zu jeder Zeit zu recherchieren. Manch ein Mensch mag sich also fragen: Wer braucht da noch Bibliotheken? Im Rahmen unserer Themenwoche „Wie Lesen das Miteinander stärkt“ und als Partner des Deutschen Lesepreises in der Kategorie „Herausragendes kommunales Engagement in der Leseförderung“ werfen wir einen Blick in die vermeintlich verstaubten Institutionen und stellen die Frage: Wie haben sich Bibliotheken entwickelt – und welche Rolle spielt ihr kommunales Engagement in Stadt und Land für die Zukunft unserer Gesellschaft?

Ein zischendes „Pssssst!“, ein eindringlicher, strenger Blick: Auch heute noch stellen sich viele Menschen Bibliotheken als Orte vor, in denen konzentriert gelesen und gearbeitet und der kleinste Mucks mit eben beschriebener Szene kommentiert wird. Ein Ort, an dem Menschen schweigend durch Bücherregale schleichen, es nach Staub und (altem) Papier riecht.

Der von Bücherliebhabern geschätzten Geruch, den ein frisch aufgeschlagenes Buch verströmt, ist geblieben. Ansonsten jedoch ist diese Vorstellung von Bibliotheken ziemlich verstaubt – im Gegensatz zu den heutigen Institutionen: „Bibliotheken haben sich in den vergangenen Jahrzenten stark verändert und neu erfunden“, sagt Kristin Bäßler, Pressesprecherin des Deutschen Bibliotheksverbandes. „Als Lernort, insbesondere aber als Begegnungsort. Bibliotheken sind heute die Wohnzimmer der Stadtgesellschaft, sogenannte Dritte Orte, in denen jede und jeder zum Lesen, Lernen, Arbeiten, Recherchieren, Ausruhen und zum Austausch kommen kann, ohne Eintritt zahlen oder etwas konsumieren zu müssen. Diese Räume werden in Städten und Gemeinden immer rarer. Umso wichtiger werden Bibliotheken.

Digitalisierung, offene Räume und kreativer Austausch

Wichtig sei, so Bäßler, den digitalen Wandel der Gesellschaft zu begleiten und Angebote zu schaffen, um alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Eine Voraussetzung hierfür ist – vor allem in ländlich geprägten Regionen – die angemessene Ausstattung mit technischen Geräten und Breitband.

Die Stadtbibliothek „Heinrich Heine“ in Gotha, Thüringen, gibt es seit über 120 Jahren. Vor sieben Jahren startete hier mit dem Umbau auch der Einzug in die Moderne: „Große, helle Räume mit viel Platz bieten Raum für neue Ideen“, erzählt Abteilungsleiterin Nicole Strohrmann. „Technische Neuerungen wie etwa WLAN hielten, im landesweiten Vergleich, relativ früh Einzug.“ Als erste Bibliothek in Deutschland wurde hier außerdem ein Bildungskoordinator eingestellt, später auch noch eine Medienpädagogin. „Das hat dafür gesorgt, dass vielfältige Projektarbeit für alle Altersstufen möglich werden können.“ Mit sogenannten Makerspaces – offenen Räumen mit neuer Technologie, Tools und Medien zur freien kreativen Nutzung, bei denen Wissenserwerb vom Do-It-Yourself bis zum Do-It-Together im Vordergrund stehen – und zahlreichen digitalen Angeboten stellt die Gothaer Bibliothek ein breites außerschulisches Angebot bereit, das das Interesse bei Kindern und Jugendlichen wecken soll. Dafür wurde sie als „Bibliothek des Jahres 2020 in kleinen Kommunen und Regionen“ ausgezeichnet.

Ein modernes, beleuchtets Gebäude bei Nacht.
Die Stadtbibliothek Gotha bei Nacht (Credit: Stadtbibliothek Gotha)
Damit ist die „Heinrich Heine“-Bibliothek aber nicht am Ende angekommen, denn „Stillstand ist Rückschritt und wir wollen weiterhin an den spannendsten Baustellen der Gesellschaft mitarbeiten“, so Nicole Strohrmann. Als nächstes möchte die Stadtbibliothek mit einer RoboThek vor allem Kinder und Jugendliche erreichen und für Naturwissenschaften begeistern. „Durch die Ausrichtung auf das Thema Robotik verfolgt die Bibliothek ein absolut neues Konzept“, sagt die Abteilungsleiterin. „Den Schülerinnen und Schülern in der Region Gotha möchte die Stadtbibliothek mit der RoboThek die Möglichkeit geben, ihre Talente in diesem Bereich zu erkennen. Im Rahmen von Workshops, Forscherclubs und Projekten können Mädchen und Jungen ab der dritten Klasse Naturwissenschaft und Technik praktisch erleben. Dazu werden eigene Roboter entwickelt und produziert und es wird geforscht und experimentiert.“

Partner in der Leseförderung: „Wer nicht lesen kann, ist von vielem ausgeschlossen“

Die Grundlage jeder Bildung, für den Zugang zu gesicherten Informationen und zur Meinungsbildung ist und bleibt die Lesekompetenz – und so bleibt auch das Medium Buch bei all dem digitalen Fortschritt ein zentraler Bestandteil der öffentlichen Bibliotheken. „Sie stellen die Medien nicht nur kostenfrei und niedrigschwellig zur Verfügung, sondern engagieren sich auch in der Leseförderung von Kindern und Jugendlichen sowie der Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz“, erklärt Kristin Bäßler vom Deutschen Bibliotheksverband. „Für die Teilhabe in der digitalen Gesellschaft ist die Lesefähigkeit zentral: Wie die aktuelle PISA-Sonderauswertung gezeigt hat, sind nur diejenigen, die gut lesen können, in der Lage, digitale Technologien optimal zu nutzen.“

Wir unterstützen den Deutschen Lesepreis

Um die Leseförderung für junge Menschen zu stärken und öffentlich sichtbar zu machen, vergeben die Stiftung Lesen und die Commerzbank-Stiftung seit 2013 den Deutschen Lesepreis. Auch wir als Soziallotterie sind davon überzeugt, dass Lesen eine zentrale Voraussetzung ist, um selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Daher stiften wir gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag die Preiskategorie „Herausragendes kommunales Engagement“. Hier werden Organisationen wie z.B. öffentliche Bibliotheken ausgezeichnet, die sich für die lokale Leseförderung verdient machen.

Personen, Projekte und Einrichtungen, die sich für das Lesen einsetzen, können sich noch bis zum 30. Juni für den Deutschen Lesepreis bewerben.

In der Kinderbibliothek der Stadt Köln spielt „die Ausleihe der Medien noch immer eine sehr große Rolle“, berichtet Pamela Baber. Mit regelmäßigen Vorlesestunden, einer literarischen Krabbelgruppe und Leseclubs ist die Kinderbibliothek in der Leseförderung engagiert. „Wer nicht lesen kann, ist von vielem ausgeschlossen“, so Baber. „Für jeden Beruf, jede Ausbildung und auch für den Erfolg in der Schule ist es essenziell, lesen zu können. Auch die Orientierung in einer fremden Stadt oder an unbekannten Orten hängt davon ab, ob man lesen kann.“ Mit welchen Geschichten und ich welcher Sprache die Lesekompetenz erworben wird, spiele keine Rolle: „Es kommt heute nicht mehr darauf an, ob eine Geschichte literarisch oder pädagogisch wertvoll ist, sondern auch darauf, die Kinder für das Lesen zu interessieren, egal ob mit Comics, Klassikern, Fantasy oder auch Merchandise-Charakteren.“ Sich über die literarischen Heldinnen und Helden auszutauschen, stärke außerdem das Gemeinschaftsgefühl der Kinder.

Die Bibliothek als „Dritter Ort“

„Die Stadtgesellschaft benötigt öffentliche, demokratische Orte als Treffpunkte mit vielfältigen Angeboten und Möglichkeiten der Teilhabe, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken“, sagt auch Ingo Tschepe. Er leitet die Stadtbücherei Norderstedt. Auch hier hat sich in den letzten Jahren viel getan. „Die Bibliotheken der 80er-Jahre waren analoge Orte, in denen man Bücher ausleihen konnte. Danach haben sie – mehr oder minder erfolgreich – die Digitalisierung in ihre Konzepte eingebunden. Mit der zunehmenden Kommerzialisierung der Digitalisierung und dem Siegeszug des Internets mussten sie neue Strategien entwickeln, da es nicht mehr selbstverständlich war, alle Informationen in den Bibliotheken zugänglich zu machen“, so Tschepe. Als Wendepunkt für die Stadtbücherei Norderstedt sieht er die Hinwendung zum Konzept des „Dritten Ortes“: „Menschen benötigen Orte neben dem Zuhause und dem Ort des Lernens oder der Arbeit, an denen sie sich gern aufhalten und informieren können, wo sie auf Menschen treffen, aber auch nicht gezwungen sind zu konsumieren.“

Die Stadtbibliothek von außen, davor ein blühender Kirschbaum.
Außenansicht der Stadtbücherei Norderstedt. (Credit: Stadtbücherei Norderstedt)

Gleichzeitig sieht auch Tschepe eine wichtige Aufgabe der Bibliotheken darin, die Lesekompetenz und Informationskompetenz zu fördern, um die Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe zu schaffen. „Dabei spielen Kooperationen und die enge Vernetzung mit Schulen und Kitas eine zunehmend wichtige Rolle“, sagt der Büchereileiter – in Norderstedt ist dies, wie in vielen Städten und Kommunen, bereits gelebter Alltag.

„Lesen erweitert den Horizont, man lernt Sichtweisen, Kulturen, Lebensformen kennen“, betont Tschepe. „Das fördert das gegenseitige Verständnis und das Miteinander. Lesen und die Aneignung von Wissen sind der Ausgangspunkt für Diskussionen und Austausch und ein friedliches Miteinander.“ Hier haben Bibliotheken in der Vergangenheit einen wichtigen Beitrag geleistet – und ihr kommunales Engagement wird unsere Gesellschaft auch mit in die Zukunft führen.

Bibliotheken werden bleiben. Sie müssen bleiben.

Themenwoche: Wie Lesen das Miteinander stärkt

In unserem Online-Magazin beschäftigen wir uns vom 21.-27. Juni 2021 mit dem Thema Leseförderung und der Frage, wie Lesen das Miteinander und die gesellschaftliche Teilhabe stärkt.

Dafür fragten wir bei Bundesbildungsministerin Anja Karliczek nach, welche Maßnahmen das Ministerium für die Leseförderung umsetzt. Außerdem sprachen wir mit von uns geförderten Projekten, die sich in diesem Bereich auf unterschiedliche Weise und für unterschiedliche Zielgruppen einsetzen. Wir werfen einen Blick in öffentliche Bibliotheken in Stadt und Land – und stellen die Frage: Wie haben sich diese entwickelt und wie möchten sie ihr Publikum in Zukunft erreichen? Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, gibt uns außerdem einen Einblick in die Entwicklung des Leseverhaltens und spricht darüber, welche Auswirkung diese auf unsere Gesellschaft hat und welche wichtige Rolle das kommunale Engagement in der Leseförderung einnimmt. Im Interview erfährst du außerdem mehr über den von uns unterstützten Deutschen Lesepreis, für den sich Projekte noch bis zum 30. Juni bewerben können.

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Mutmacher

Autorin

Katharina Hofmann

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