Alle unter einem Dach
Der Verein „Volkssolidarität Westerzgebirge“ will mit seinen vielfältigen Angeboten die Menschen in seiner Umgebung wieder näher zusammenbringen. Von der Gymnastikgruppe über den Töpferkurs bis hin zum Elternfrühstück bietet der Verein allen Generationen die Möglichkeit, sich unter einem Dach zu vereinen und ihre Nachbarschaft wieder zur Gemeinschaft werden zu lassen.
Der 16 Monate alte Phil strahlt übers ganze Gesicht und zeigt dabei erste Zähnchen. „Ist Phil eigentlich mal schlecht drauf?“, wird Phils Mutter Doreen Lege gefragt. „Ja, kommt schon vor“, sagt die 28-Jährige schmunzelnd und setzt ihren Sohn auf den Fußboden, der beherzt nach einem heruntergefallenen Weißbrot greift und es sich in den Mund schiebt.

Im 17.000-Einwohner-Ort Schwarzenberg im Erzgebirge findet jeden Dienstag und Mittwoch ein Frühstück statt, veranstaltet vom Verein „Volkssolidarität Westerzgebirge“, genauer dem Bürgerbüro im Ortsteil Hofgarten. Hier treffen sich hauptsächlich Mütter in Elternzeit mit ihren Kindern. Doreen Lege sagt: „Für Phil ist es toll, dass er schon vor der Krippe mit anderen Kindern spielt. Für mich ist es schön, mich mit anderen Müttern auszutauschen.“ Als Phil mal Schlafprobleme hatte, bekam sie aufmunternde Worte und Ratschläge. Doreen freut sich vor allem auf den kreativen Teil des Frühstücks. Heute basteln sie aus Servietten und Wachs bunte Teelichtschalen.


Der Tag der Nachbarn
Am 24. Mai 2019 feiern Nachbarschaften in ganz Deutschland wieder unter dem Motto „1.000 Feste“ den Tag der Nachbarn. Ob Picknick, Grillparty, Wohnzimmerkonzert oder auf der Straße: Egal wie klein oder groß das Fest wird, die nebenan.de Stiftung unterstützt Nachbarn bei der Organisation (www.tagdernachbarn.de) Auch der Leitfaden aus Merkstein bietet hier eine tolle Orientierung.
Übrigens: Wir sind auch wieder als Partner beim Tag der Nachbarn mit dabei!
Ab dem 20. Mai 2019 stellen wir Dir verschiedene Nachbarschaftsprojekte vor. Schau dann noch einmal auf unserer Seite vorbei und flaniere mit uns durch unser virtuelles Viertel.
Die Kinder werden dabei von den älteren Frauen in der Volkssolidarität betreut. Sie sitzen mit den Kleinen im Kreis und singen das DDR-Kinderlied: „Kam ein kleiner Teddybär aus dem Spielzeugland daher…“ Bei den Klängen lächelt Doreen und übergibt Phil in die Arme einer hochgewachsenen Frau mit Kurzhaarschnitt. Zuhause hat Doreen zwar ihre Eltern und Großeltern, aber mit Nachbarschaft sei es in ihrer Straße nicht weit her, erzählt sie. Man grüße sich lediglich. Bei der Volkssolidarität finde sie das, was ihr Zuhause fehle: Gemeinschaft.
Ein Vertrauen unter den Nachbarn, wie es das früher gab, findet man heute kaum noch.
Doreen steht als Erste am Topf mit flüssigem Wachs, den die Bastelanleiterin bereitgestellt hat. Gemeinsam mit zwei anderen Frauen tunkt sie immer wieder ihre Serviette mit Beerenmuster hinein. „Bis jetzt können die Kinder zwar nicht mitmachen“, sagt Doreen. „Aber wenn Phil größer ist, machen wir das Zuhause nach.“ Bei einem der letzten Treffen hat sie so das Nähen für sich entdeckt. Seitdem wird nichts mehr an Oma zum Umnähen gegeben, sondern selbst erledigt. Als ihr Tuch mit Wachs durchtränkt ist, legt sie es über ein umgedrehtes Glas und drückt die Ränder fest – eine Teeschale entsteht.




Organisiert wird die Bastelstunde von der Quartiersmanagerin Sarah Meyer, sie steht neben der emsigen Frauengruppe und trägt ein Kind im Arm, das vorhin unter dem Esstisch zu ihr gekrabbelt kam. Die 25-Jährige hat im Nachbarort soziale Arbeit studiert und arbeitet seit eineinhalb Jahren fest angestellt bei der Volkssolidarität. „Als Kinder haben wir immer bei den Nachbarn gespielt oder – wenn die Eltern aus waren – sogar dort übernachtet“, erzählt sie. „Dieses Vertrauen findet sich heute kaum unter Nachbarsleuten.“ Mit ihrer Arbeit möchte sie dieses Gefühl wieder in ihre Heimat bringen und schöne Kindheitserinnerungen für andere entstehen lassen.


Viele junge Leute sind in größere Städte wie Chemnitz abgewandert. In Hofgarten leben fast nur noch Rentner. Sarah, die nur wenige Kilometer entfernt in Königswalde aufgewachsen ist, wollte trotzdem nie weg vom Dorf: „Das, was ich in meiner Kindheit an meiner Nachbarschaft zu schätzen wusste, möchte ich auch hier, in Hofgarten, weitergeben. Was soll ich in Chemnitz, wenn ich hier helfen kann?“ Die Rentner teilen ihre Sorgen mit Sarah: Viele sind einsam, pflegebedürftig oder kämpfen gegen Altersarmut. Die Quartiersmanagerin erzählt ihnen dann von den vielen Angeboten der Volkssolidarität und versucht sie so wieder unter Leute zu bringen.
Ich finde es schön, unter jungen Frauen zu sein und mal wieder ein so kleines Kind auf dem Arm zu tragen.
Ebenfalls in der Schlange zum Wachstopf wartet Sigrid Ludwig. Sie ist 64 Jahre alt und besucht seit vier Jahren „Volkssoli-Kurse“. Sie turnt wöchentlich in einer Gymnastikgruppe und töpfert, strickt oder näht zusätzlich in einem Kreativkurs. „Meine Kinder und Enkel wohnen weit entfernt. Freunde unter den Nachbarn habe ich keine. Aber durch die Volkssoli komme ich unter Leute, erfahre, was in Schwarzenberg los ist“, erzählt sie. Beim Kreativfrühstück ist sie normalerweise nicht dabei. „Aber ich finde es schön unter jungen Frauen zu sein und mal wieder ein so kleines Kind auf dem Arm zu tragen.“


Die Älteste heute Morgen ist die 81-jährige Christa Florl. Sie klebt gerade ihre Serviette über das umgedrehte Glas, begleitet von guten Ratschlägen ihrer Mitbastlerinnen. Christa nimmt es gelassen. „Jaja, ich mache ja schon…“, murmelt sie und lächelt. Seit 35 Jahren wohnt sie in Schwarzenberg im gleichen Haus mit den gleichen Nachbarn. „Ich bin mittlerweile allein Zuhause. Meine Nachbarn helfen mir beim Einkaufen oder wir borgen uns Dinge“, sagt sie. In der Volkssolidarität gefalle ihr besonders gut der Spielenachmittag. Hier verbringen sie fröhlich Zeit miteinander bei „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Dame“. Christa Florl sagt: „Wenn ich zur Volkssolidarität fahre, fühle ich mich nicht mehr so einsam.“
Info
- Eine feste Gemeinschaft unter Nachbarn liegt uns sehr am Herzen. Deshalb fördern wir seit Jahren viele Projekte und Initiativen, die das Miteinander im Viertel stärken. Im Jahr 2017 waren 22 Prozent der Hilfsprojekte aus dem Bereich Quartier – darunter auch das Projekt „Quartiersentwicklung in der Stadt Schwarzenberg” der Volkssolidarität Westerzgebirge e.V. (Fördersumme: 105.955 Euro).
- Das daraus entstandene Bürgerbüro Hofgarten steht für Jung und Alt als zentrale Anlaufstelle zur Verfügung. Die Lebensqualität soll für alle im Quartier gestärkt, sowie das generationenübergreifende Zusammenleben belebt und für die gegenseitige Unterstützung und Hilfestellung bei der Alltagsbewältigung sensibilisiert werden.
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