Ableismus und Disablismus: Diskriminierung im Alltag
Gut gemeinte, aber übergriffige “Hilfe”, abwertende Kommentare und Ausdrücke, voreilige Annahmen über Fähigkeiten und Lebensqualität: Menschen mit Behinderung erleben fast täglich Diskriminierung, weil wir in einer Gesellschaft leben, die das Konzept eines vermeintlichen “Normalzustands” verinnerlicht hat, von dem sie abweichen. Dieses Konzept wird in der Fachsprache Ableismus genannt. Wir schauen uns den Begriff Ableismus und seine Definition genauer an, klären die richtige Aussprache und machen anhand von Beispielen deutlich, wie du Ableismus erkennen und begegnen kannst.
Was bedeutet Ableismus? Definition und Aussprache
Ableismus hat es als Fachbegriff für die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung auch in den Alltagswortschatz vieler sozial engagierter Menschen geschafft. Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unterscheiden jedoch zwischen Ableismus und Disableismus. Dabei benennt Ableismus die Annahme, dass bestimmte Fähigkeiten (z. B. Hören, Sehen, Laufen, Sprechen) essenzieller sind als andere und das Fehlen dieser Fähigkeiten zu einem verminderten Daseinszustand führt. Diese Annahme ist stark davon geprägt, welche Vorstellungen über einen “normalen” Menschen in der Gesellschaft bestehen. Disableismus benennt die diskriminierenden, abwertenden oder benachteiligenden Verhaltensweisen, die daraus hervorgehen. Außerhalb des wissenschaftlichen Kontextes ist es aber völlig korrekt und üblich, Ableismus sowohl für die Annahmen als auch für die Verhaltensweisen zu verwenden.
Das Wort Ableismus ist entliehen vom englischen ableism. able steht für “fähig”, die Endung -ism bzw. -ismus verdeutlicht, dass es sich dabei um eine grundlegende Geisteshaltung handelt, so wie z. B. auch Rassismus und Sexismus. Die englische Herkunft bestimmt auch die richtige Aussprache von Ableismus. Der erste Teil des Wortes wird wie im Englischen ausgesprochen: Äi-bel-ismus. Oft wird aber auch im Deutschen das englische Wort ableism verwendet.
Beispiele für Ableismus, Disableismus und Behindertenfeindlichkeit
Ableismus ist nicht auf Menschen mit Behinderung beschränkt. Auch Menschen mit psychischen oder chronischen Erkrankungen erleben diese Form der Diskriminierung, bei der sie auf diese Merkmale reduziert werden. Anhand ihrer Behinderung oder Erkrankung werden Annahmen darüber getroffen, was sie wollen, können oder wie sie sich fühlen.
Oft kommt es vor, dass Menschen mit einer sichtbaren Behinderung gleich zu Beginn eines Gesprächs unsensible Fragen gestellt bekommen. “Wie bist du denn im Rollstuhl gelandet?” oder “Kannst du denn noch Kinder bekommen?”. Das ist ein typisches Beispiel für Ableismus: Die Behinderung gerät in einem unpassenden Moment in den Vordergrund und wird überbetont.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die solche Berührungsängste haben, dass sie das Thema ignorieren, sich nicht dafür interessieren und auch dann nicht zur Sprache bringen, wenn es angemessen wäre. Das geht bis zum Vermeidungsverhalten: Menschen mit Behinderung erleben oft, dass ihnen aus dem Weg gegangen wird, dass sie ignoriert werden oder dass direkt ihre Begleitperson angesprochen wird, statt sie selbst.
Eine übermäßige Fürsorge ist ebenfalls ableistisch. Nicht jeder Mensch mit Behinderung ist auf Hilfe angewiesen. Das mündet in manchen Fällen in übergriffiges Verhalten: Menschen im Rollstuhl werden einfach in die S-Bahn geschoben und blinde Personen zum Eingang eines Gebäudes gezogen, ohne dass mit ihnen gesprochen wurde oder diese um Hilfe gebeten haben.
Auch “positive” Diskriminierung von Menschen mit Behinderung ist Ableismus. Übermäßiges Lob für alltägliche Dinge wie eine Berufstätigkeit oder Einkaufen verdeutlicht, dass man eigentlich annimmt, dass die Person dies nicht kann, ohne ihre Lebensrealität zu kennen.
“Bist du dumm?!” – Ableistische Sprache fördert Marginalisierung
Ableistische Sprache verwenden viele Menschen, ohne darüber nachzudenken. Dass das Wort “behindert” nicht als Beleidigung verwendet werden sollte, müsste mittlerweile bei den meisten Menschen angekommen sein. Trotzdem bedienen sich viele Menschen noch ableistischer Sprache, z. B. in Metaphern wie “Du bist emotional verkrüppelt”, “Mein Date gestern war voll der Psycho”. “Bist du taub?” und “Bist du blind?” um jemanden zu rügen, der nicht hingehört hat oder etwas Offensichtliches nicht sieht, sind ebenfalls ableistische Aussagen.
Die Abwertung von Menschen mit niedriger Intelligenz ist wohl die weitverbreitetste Form von ableistischer Sprache: Wörter wie Idiot, Trottel, Spasti oder dumm werden oft verwendet, um Menschen aufgrund ihres Verhaltens eine geringere Intelligenz vorzuwerfen und sie dadurch abzuwerten. Wer diese ableistischen Wörter benutzt, meint in den meisten Fällen etwas ganz anderes: rücksichtslos, egoistisch, unsensibel, gemein oder bösartig. Das mit dumm gleichzusetzen, ist gleich doppelt problematisch.
Ableistische Sprache und Beleidigungen sind nicht nur verletzend für Menschen mit Behinderung, sie offenbaren auch unbewusste Vorurteile und stärken deren Verinnerlichung. Unsere Sprache formt unser Denken. Die negative Konnotation von vermeintlichen Schwächen oder Defiziten führt dazu, dass wir diese negativen Konnotationen auch unterbewusst auf reale Situationen anwenden. Eine sensible und nicht-diskriminierende Sprache wiederum hilft dabei, internalisierte Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen.
Ableismus erkennen und richtig reagieren
Den ersten Schritt, um Ableismus zuverlässig zu erkennen, hast du bereits gemacht, indem du dich über die Problematik, Formen des Ableismus, Denk- und Verhaltensmuster informiert hast. Reflektiere dein eigenes Denken und Verhalten: Kannst du dich an Situationen erinnern, in denen du dich ableistisch verhalten haben könntest? Woran machst du das fest?
Sprich dein Gegenüber im Gespräch darauf an, wenn es ableistische Sprache verwendet. Wenn du als außenstehende Person eine Situation beobachtest, in der ein Mensch mit Behinderung Diskriminierung erfährt, ist es wichtig, die Situation richtig einzuschätzen, bevor du einschreitest. Auch hier kannst du schnell in die Falle tappen und über das Ziel hinaus schießen, wenn du der betroffenen Person die Fähigkeit abstreitest, sich selbst dagegen zur Wehr zu setzen.
Bist du selbst von Ableismus betroffen, sprich die Person direkt darauf an und versuche, schlagfertig zu sein und dich nicht zu Rechtfertigungen hinreißen zu lassen. Stelle deinem Gegenüber eine Gegenfrage: “Wie kommst du darauf, dass…?”. Da sich einige Situationen und Fragen leider immer wieder wiederholen, kannst du dir auch passende Antworten zurechtlegen, sodass du im konkreten Moment gar nicht nachdenken musst. Wenn du dich in einer Situation bedroht fühlst, sprich direkt Menschen in der Umgebung an und bitte diese um Hilfe.
Projekte gegen Ableismus: Deutsche Fernsehlotterie
Die Fernsehlotterie unterstützt Projekte und Vereine, die sich für Inklusion und eine Gesellschaft ohne abwertende und diskriminierende Verhaltensweisen einsetzen, darunter das Projekt “Teilhabe im ländlichen Raum” in Kleinwachau, ein inklusives Netzwerk mit Kooperationspartnern aus dem Sozialraum, das barrierefreie Räume und Institutionen schafft, oder das Quartiersprojekt des Kreisdiakonischen Werk Stralsund e. V., bei dem Menschen aller Generationen und sozialen Milieus Werke basierend auf den eigenen Lebenswirklichkeiten erarbeiten.
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